2010-11-06

Jedem seine Kunst.

Und warum gibt es Kunst frug ich nochmal und leere, erstaunte Gesichter schauten von ihren Handys auf. Na, Kunst gibt Sinn, und ist wertvoll und schön und sieht gut aus und gefällt mir und ist cool und.

Wenn jeder sich also den Grund, warum es Kunst gibt beliebig ausdenken kann, so räsonierten wir, dann könne man es ja auch, aus Zeitersparnis einfach ganz lassen, einen Grund zu finden.
Aber warum gibt es dann Kunst, und es fing wieder an, das sich etwas Anstrengung in die Gesichter schlich.

Und dann kam er, der Satz, auf den ich gehofft hatte.


"Kunst liegt im Auge des Betrachters"

Sozusagen: Der eine mag Ellsworth Kelly, der andere Thomas Kinkade.


So? sagte ich. Wenn also der Betrachter ausschließlich bestimmt, was Kunst ist, Kunst also relativ ist, und zwar vollständig relativ zum Betrachter, wie kann ich dann wissen, ob Kunst überhaupt existiert? Wenn ich etwas als Kunst identifiziere, mit Begründung, Argumenten, Gefühl und all das, und jemand anderes sagt:

Nein.


Wie kann ich dann wissen wer recht hat? Ob überhaupt jemand recht hat?

Also wenn da was ist, das unter Kunst verhandelt wird, und darüber besteht kein Zweifel, dann kann das nicht vollständig relativ sein. Dieser Augen-Satz ist eine auf die Kunst angewandte Variante des Satzes, der seit den 60ern aus der Diskussion über das alles und den ganzen Rest nicht verschwunden ist, eine Tatsache, die mich immer wieder verdutzt.


"Alles ist relativ"


Es geht nicht. Der Satz (und damit auch die Augen-Satz-Variante) zerstört sich selbst. Denn er ist NOTWENDIG eine absolute Aussage. Wenn nur fast alles relativ ist, dann gibt es etwas absolutes, einen Nullpunkt im Koordinatensystem, den es zu finden gälte, koste es was es wolle, denn dort besteht Hoffnung auf Wahrheit.

Wenn der Satz aber eine absolute Aussage ist, ist nicht alles relativ.



So einfach und zur Denkfaulheit einladend UND die Hoffnung zerstörend ist das alles und der ganze Rest NICHT.

Wo und wie hat man die Chance, absolutes zu identifizieren? Und wie kann man sich da sicher sein, da ja absolutes per Definitionem etwas Gesetztes ist, also nicht beweisbar sein kann und darf (dann wäre es ja relativ zu den Beweisen).

Wir brauchen eine Konstruktion, die so etwas ist wie "risikoarmes Vertrauen aufgrund von starken Indizien".

Und wenn man die für Kunst finden kann, dann sollte sie auch für das alles und den ganzen Rest zu finden sein.

Denke ich. Aber vieles davon ist noch Baustelle.

Vieles.

11 Kommentare:

Heiko Sommer hat gesagt…

Mein Wort zum Montag...
"risikoarmes Vertrauen aufgrund von starken Indizien"
das nehm ich jetzt mit!

Ruwi hat gesagt…

Du fragst: "Wenn ich etwas als Kunst identifiziere, mit Begründung, Argumenten, Gefühl und all das, und jemand anderes sagt:
Nein.
Wie kann ich dann wissen wer recht hat? Ob überhaupt jemand recht hat?"

Wenn jemand nur "Nein" sagt, muss man sich nicht damit auseinandersetzen, finde ich.

Wenn aber jemand "Nein, weil..." sagt wird es doch interessant. Dort beginnt die Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk (übrigens ein starkes Indiz, dass es sich bei dem in Frage stehendem Objekt wirklich um Kunst handelt,wenndumichfragst).

Muss es einen Nullpunkt geben, wo Kunstdoch doch alles, wirklich alles in Frage stellen kann?

Kann man eigentlich auch Kunst-Agnostiker sein? Das wäre ich nämlich dann gerne.

gerdbrunzema hat gesagt…

Das Problem ist ja das "Nein, weil". Denn das weil ist völlig beliebig (individuell bestimmt, ohne allgemeingültige Norm. Nix Humanismus [Zieh dir mal Sloterdijk rein...], nix Christentum, nicht griechische Antike, nix Judentum, nix irgendwas, was auch nur hauchartig verbindlich wäre).

Es gibt kein "weil", auf das ich antworten muss oder kann.
Es ist maximal ein "schön das wir unser "weil" in friedlicher Form ausgetauscht haben"/schön,dasswirdrübergeredethabenDu.

Ich bin mittlerweile sicher, das es eine Art Nullpunkt gibt (was eine teilweise Freiheitsberaubung sein MUSS, sonst funzt das nicht) eine tatsächliche Wahrheit (im Sinne von für alle wahr, und nicht nur für die, die das möchten)

Dieser Nullpunkt wird sich herauskristallisieren, wenns drauf ankommt. Z.Zt. kommts aber nicht drauf an.

Ja, Kunst kann und soll und muss alles in Frage stellen. Ich, und da unterscheide ich mich von Agnostikern, hätte aber dann auch ganz gerne eine valide Antwort.

Wenn Agnostizismus heißt, das ich frage um keine Antwort zu bekommen, interessiert mich das nicht, weil es bestenfalls pseudointellektuelle Pose ist.

Kunst ist kein Scheiß, Kunst ist echt ernst gemeint.

Es geht um Antworten. Wenn meine Freiheit darin besteht, den Antworten (nicht den Fragen) aus dem Weg zu gehen, dann traue ich dieser Freiheit nicht. Das ist auf Sand gebaut und fällt bei der geringsten Belastung zusammen.

Ruwi hat gesagt…

Ok. Ich merke schon, hier unterhalten sich ein Amateur (moi) und ein Profi (toi). aber egal, die dritte liga kann ja auch ganz kurzweilig sein ;-) Also, Nullpunkt verbinde ich mit absoluter Starre, Mittelalter, Dinge an denen nicht mehr gerüttelt werden kann. Ok. Mal ne doofe Frage, warum wilst Du das?

"Wenn Agnostizismus heißt, das ich frage um keine Antwort zu bekommen, interessiert mich das nicht, weil es bestenfalls pseudointellektuelle Pose ist."

Nein. Als Kunst-Wahrheit-Bestimmer-Agnostiker bekomme ich doch gerade Antworten (Mehrzahl!). Doch keine davon kann ich als allgemeingültige Wahrheit in die Welt raushauen und alle respektieren diese Grenze.
Und Richtig, Nix Christentum, Humanismus, etc. Auch das birgt doch, aus Sicht der dritten Liga, soviele Widersprüche in sich, das man sich Verbindlichkeit hersaufen muss. Aus meiner Sicht ist das auch nicht so schlimm. Ich trink gerne mal Einen. So.

gerdbrunzema hat gesagt…

Mittelalter, nee, das war der Versuch, den Tanz um den Nullpunkt erstarren zu lassen. Das will keiner. Nullpunkt heißt einfach, das ich bewerten kann relativ zu einem festen Punkt.

Warum ich den Nullpunkt will? Weil ich glaube, das es richtig und falsch gibt. Es gibt auch "isegal" aber nicht in Fragen, die wirklich wichtig sind, so Sachen wie Liebe, Tod und sowas. Isegal gibt es nur bei "isegal"-Fragen. Die interessieren micht nicht.

Ja, man bekommt eine Mehrzahl von Antworten, und doch hat man dann im Grunde keine, weil man sich nicht entscheiden muss (im Grunde: nicht entscheiden will) was man für wahr und was man für falsch hält.

Und, das ist nur scheinbar tolerant und offen, denn WEHE, jemand hat tatsächlich eine Wahrheit. Dann fällt das Ding zusammen.

Der Agnostiker weiß eins ganz sicher: Seine absolute, über allen Wahrheitsbehauptungen anderer Konzepte schwebende Wahrheitsbehauptung ist: Es gibt keine verbindliche Wahrheit. Ich seh da nich sooo viel Toleranz, ich sehe da eher eine ziemliche Überheblichkeit, die mit Jovialität überzuckert ist (das will ich Dir nicht unterstellen, um Himmelswillen!)

Es mag aus Deiner Sicht nicht so schlimm sein. Aber, wenn jeder z.B. seine Ethik selber stricken kann, dann seh ich kein Argument gegen die ethischen Vorstelleung von Herrn Hitler oder Herrn Stalin oder Herrn Pol Pot oder, oder, oder.

Und die Grenze mit Kant und Rosa Luxemburg zu ziehen, ist zwar eine angenehme Idee, aber keine zwingende.
Und wenn man dann auch noch (ich schreib mich grad in Rage) die Evolutionstheorie für unsere Ethik verantwortlich macht wie Herr Dawkins, wo ja bekanntlich der Stärkere auf kosten des Schwächeren überlebt, dann ist an den genannten Herren überhaupt nichts mehr auszusetzen. Dann dürfte allerdings auch niemand etwas gegen die Vergewaltigung von Frauen haben, das ist evolutionstheoretisch nämlich höchst effektiv.

Die Dinge sind komplizierter. Und man sollte die Wahrheit suchen. Man kann es sich sehr bequem machen in einer gelogenen Gemütlichkeit, gern auch ein Leben lang.

Man sollte die Wahrheit suchen.

Und Spaß. Spaß sollte man auch haben. Find ich.

Ruwi hat gesagt…

Okay, ich verstehe Deinen Standpunkt. Ich frage mich, warum ich das nicht aber trotzdem nicht akzeptieren will. Irgendwas schreit da NEIN!! Gibt es üerhaupt Zwingende Ideen? Irgendetwas, was man nieeehhiee wieder revidieren muss?

DU:"Ja, man bekommt eine Mehrzahl von Antworten, und doch hat man dann im Grunde keine, weil man sich nicht entscheiden muss (im Grunde: nicht entscheiden will) was man für wahr und was man für falsch hält."

Ich glaube das isses. Ich will entscheiden, aber nur für mich, nciht für Alle!!Das ist ne andere Nummer!

Kann man nicht sagen, dass es etwas Göttliches ist, dass obwohl der Menschheit dieser Nullpunkt nicht bewussst ist, sich trotzdem fast alle Menschen ethisch verhalten und wir gemessen an der Menge Menschen relativ wenige Pol Potts produzieren (Weil Pol bei Mutti nicht auf den Arm durfte oderwassweissich)?

Manndoh, wir gehn hier aber ganz schön ab!

gerdbrunzema hat gesagt…

Oh, ich kann Dir sagen was da NEIN! schreit. Du bist der Auffassung, Du bist Cheffe in deinem Leben und willst es auch bleiben. Soweit völlig Ok. Allein die Möglichkeit der Existenz von absolutem (Idee, Ideologie, Lebensphilosophie, Gott, whatever) schränkt diese Cheffe-Machtfülle ein. Denn dann müsste man sich tatsächlich verbindlich , wie auch immer, positionieren.

Wenn man etwas Absolutes für existenzmöglich hält (unabhängig, ob man dem verpflichtet ist oder nicht), also etwas oberhalb von einem selber und nicht auf gleicher Ebene oder gar untergeordnet, dann hat man zwingend ein Autonomieproblem (bezogen auf die absolute Idee, nicht unbedingt bezogen auf andere Menschen). Kurz gesagt: Wenn ich selber Gott sein will, dann darf es keine anderen Götter neben mir geben. Ich lehne sie also ab (Atheismus, im Prinzip) oder nehme keinen Standpunkt ein in der Existenzhypothese (Agnostizismus) was aber effektiv dasselbe ist, man bleibt selber Gott (Genauer: Die ultimative Instanz in allen existenziellen Fragen).

Die Wunschvorstellung, das nur für sich als absolut zu akzeptieren (pschschsch! nicht so laut! WAS?? Genaaaaau) und nicht für alle (das soll heißen, das ich meine Idee auch für andere als gültig ansehe, NICHT, das ich sie ihnen aufdrücken muss!!) ist auf zwei Ebenen eine Illusion. Erstmal ist niemand alleine. Dein Standpunkt, egal wie festgemauert oder flummiartig, ist für andere relevant. Dem kann man nicht entkommen. Spätestens, wenn man Vorbild für jemand ist (Kinder, Nichten, Neffen) hat der Standpunkt Relevanz. Zweitens, wenn Du etwas als nur für Dich absolut sehen willst, ist es entweder nicht absolut, oder Du siehst es auch für andere absolut und hälst toleranzmäßig aus (oder auch nicht), das Heinzi Meier dat anners sieht.

Und der Kompromissvorschlag, das da wohl möglicherweise etwas Göttliches (Absolutes) ist, das wir nicht genauer adressieren können (und eigentlich auch nicht wollen), das irgendwie dafür sorgt, das irgendwie fast alle fast immer fast in Ordnung sind, sagt im Grunde, ja, da gibt es was, aber ich will davon nichts wissen, weil ich "mich dann dazu verhalten müsste".

Es ist letztlich ein Kampf zwischen Wahrheit und Macht.

Das Problem ist, wir kommen in keinem Denksystem ohne Axiome, absolute Aussagen aus. Ein rein relatives System ist nicht denkbar, man lügt sich an irgendeiner Stelle in die Tasche.

Ein weiteres Problem ist, das man zwangsläufig einen Gott definiert. Was immer diese absolute Idee ist, ist dein Gott. Man mag es vielleicht nicht so nennen (ultimative Instanz klingt auch ganz schick), aber ich behaupte, jeder hat irgendetwas, das ihm nicht nur wichtig ist, sondern auf dem sein Lebenssinn basiert.

Und diese Sache hat zwei Eigenschaften. Sie lässt einen immer hungrig, und, sie ist gnadenlos, wenn man scheitert.

Ich kenne davon nur eine Außnahme (theoretisch schon lange, praktisch noch nicht so lange) aber das ist eine andere Diskussion.

Ich seh schon, ich muss mal wieder vorbeikommen...

Armin hat gesagt…

Sehr schade – mal wieder – dass Hamburg nicht um die Ecke liegt. Da würde ich auch gerne mal wieder vorbeikommen.

Interessante Fragen, die Ihr da aufwerft.

Ruwi hat gesagt…

Du hast Deinem Post unsere Positionen trefflich zusammengefasst. Am Ende, denke ich, dass wir da Beide nicht aus unserer Haut können. Ich kann Dir gedanklich folgen, ich kann es aber so nicht nehmen. mhm. Dillema, malsagen.

gerdbrunzema hat gesagt…

Ich muss auch deutlich sagen, ich bin an der Position nicht freiwillig angelangt. Da wollte ich eigentlich nicht hin.
Ich fand die Vorstellung, dass ich mir das alles so zusammenstöpseln kann, wie ich will, sehr sehr SEHR geil.

Ich bin nur damit ehrlicherweise an die Wand gefahren und muss nun neu anfangen.

That's life...

Anyway: Vive la difference!

@Armin: Ich hätte nur ganz gerne ein paar Antworten, zur Abwechselung mal...

Armin hat gesagt…

Auch mich treiben diese Fragen um. Zur Zeit. Zeigt sich immer, wenn die Arbeit stockt, der Motor ruckelt.

So etwas ist überhaupt nicht schön. Aber anscheinend notwendig.

Ob es überhaupt gültige Antworten gibt, wage ich zu bezweifeln. Mit jedem Flügelschlag eines Schmetterlings in China ändern sich die Parameter.

Was heute gültig scheint, kann morgen schon in Frage gestellt werden. Es ist, als umkreise man einen inneren Kern, mal in kleineren oder größeren Abständen, aber dieser Kern ist nie ganz scharf zu sehen.

Bestenfalls spürt oder ahnt man gelegentlich etwas. Aber die Unschärfe bleibt.

Was uns nicht daran hindern sollte, auf bestimmte Fragen mit absolutem „Ja“ oder absolutem „Nein“ zu antworten.

Ich unterscheide da aber schon zwischen Werken der Kunst & Taten eines Pol Pots.