2008-03-18

Zeichnung UUAAAARRRR! Teil 1

Wenn man, wie ich ein fanatischer Verfechter des Mediums Zeichnung ist und dies in einem Gespräch über sagen wir mal, Indien, Hochschulverwaltungsstrukturen oder Politik deutlich kundtut, ist man öfter mal in der Situation, sorgenvoll angeblickt zu werden. Üblicherweise wird dann das Thema gewechselt, meist geht es dann darum, mit welchem Therapeuten mein Gegenüber ganz hervorragende Erfahrungen gemacht hat.

Jedenfalls.

Es gibt ein interessantes Phänomen in der Methodik der Archäologie. Die Funde werden vor Ort gezeichnet. Jaja, später auch noch fotografiert, sklarnä.

Aber zuerst gezeichnet. "Im Gegensatz zum Fotoapparat bewertet der Zeichner das Material und trennt Wesentliches von Unwesentlichem".

Das Zeichnen ist ein bildgebendes Verfahren, in dem eine Informationsreduktion hochflexibel (allerdings, in der Tat, subjektiv) gesteuert werden kann. Das Ziel dieser Zeichnungen ist optimale Dokumentation, nicht künstlerische Gestaltung oder persönliche Aussage. Die sowas machen, das sind Buchhalter. Und dennoch, an der Stelle kann man die Nichtexistenz von Objektivität besichtigen. Der archäologische Zeichner muss subjektiv entscheiden, was er weglässt, er ist der Filter, der das Rauschen unterdrückt, das in einem Foto für diesen Zweck so stören würde. Kriterium ist das Ziel der optimalen Dokumentation, d.h. maximale Information, minimale Ablenkung.

Aber hier macht das Ding einen Interessanten Loop. Denn der archäologische Zeichner weiß, was er dokumentiern will/muss: Die Scherbe oder den Knochen, aber nicht den Sand oder den Kiesel. Der archäologische Zeichner dokumentiert erzählend, d.h. er weiß als Erzähler schon vorher, was wichtig ist (wichtig sein soll...). Er scheint das Unbekannte zu kennen, ohne es zu kennen, sozusagen als Negativform. Er gestaltet seine Beobachtung. Man könnte auch sagen: Er konstruiert seine Wahrheit. Er lässt Unwichtiges weg und betont das Wichtige. Er interpretiert also durch Selektion.

Woher weiß er, was wichtig ist? Genauer: Woher weiß er, dass das eine Scherbe ist, und kein Kiesel?

WEIL DAS IN SEINEM HIRN ALS BEGRIFF, NEIN, ZEICHEN(!!) VORLIEGT!

Das heißt, die vorhergehende Seherfahrung wird zu einem allgemeinen Zeichen (nicht nur die eine Scherbe von damals, sondern das Scherbenhafte an sich) abstrahiert, um dann in der Dokumentation wieder konkretisiert zu werden. Zeichen, Zeichnung. Naja, ich will jetzt hier nicht zuu platt werden. Ist schon waghalsig genuch, dat alles hier.

Nichts anderes, mit etwas mehr Spiel in der Mechanik vielleicht, ist Kunstgeschichte (d.h. die Geschichte der Menschheit, mit den Individualeindrücken der Welt da drinnen und da draußen fertig zu werden).


Wat lernt uns dat getz?

Ähm. Später.

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