2007-12-19

Bloggen als persönlichkeitsverändernde Droge Genussmittel

Ich mach das hier mit dem Weblog ja nun schon eine Weile, so etwa seit Oktober 2005. Also nicht riesenlang, aber auch nicht seit gestern. Und etwas ist mir aufgefallen. Man schreibt, obwohl technisch die Zugänglichkeit immer gleich ist, mit der Erfahrung, das tatsächlich jemand das liest, was man da so schreibt, zunehmend öffentlicher. Ich behaupte, das ist immer und bei jedem so. Es äußert sich nur unterschiedlich: Diplomatischer, vorsichtiger oder umso exhibitionistischer.

Es hinterlässt Spuren, wenn man erkennt, das der Monolog vor Publikum stattfindet, und nicht ein Selbstgespräch im Wald ist.

Da ich den mir zugänglichen Statistiken mit viel Humor begegne, schätze ich die Zahl der Leute, die regelmäßig hier vorbeischauen, auf etwa fünf. Das sind zum Teil Leute, die mich offline kennen, die zählen nur halb.

Die Veränderung der Kulisse, vor der man in sein Weblog schreibt, ist einerseits ein Verlust. Man bemüht sich, verstanden zu werden, dabei gehen stilistische Akrobatik und inhaltliche Ausflüge in die absolute Irrelevanz ganz gemächlich über den Jordan. Ich habe gedacht, man kann sich dem entgegenstellen, quasi resistent sein. Aber allein dieses Bemühen ist ja schon Akzeptanz des Problems und da greift sozusagen eine verhaltenspsychologische Heisenbergsche Unschärferelation. Die Beobachtung verändert dich so, dass das zu Beobachtende (die eigene Schreibe) verändert ist.
Man denkt dialogisch, also mit Rücksicht auf den Hörer/Leser, und nicht mehr monologisch. Das kann man bedauern, oder begrüßen, wie man will. Jedenfalls hätte ich heutzutage, wo ich zugeballert werde mit den unglaublichsten, wunderbarsten Sachen im Internetz einfach nicht mehr die Unbefangenheit, sowas zu posten. Oder sowas. Wie überhaupt die Unbefangenheit wirklich zerbröselt. Wie eine Kindheitserinnerung. Und dann, dann fühlt man sich unheimlich erwachsen, abgeklärt und verantwortungsvoll, und möchte doch am liebsten mit Bonbons auf der Beerdigung schmeißen, oder sich sonstwie befreiend danebenbenehmen. Aber selbst solche Danebenbenehmaktionen bekommen Routine.

Es gibt kein Entkommen.

Also? Am besten "Tralala" sagen, und irgendwas ins Weblog schreiben.

"Tralala" und siehe oben.

10 Kommentare:

Ralf hat gesagt…

Ich habe irgendwann aufgehört verständlich zu schreiben bzw. aufgehört zu schreiben um verstanden zu werden. Ich schreibe auch weniger um gelesen zu werden, sondern vielmehr lese ich um schreiben zu können.

Naja, Trallala.

gerdbrunzema hat gesagt…

Also, bisher verstehe ich so ziemlich alles, was du schreibst...

Aber schon richtig, so mit Anlauf nur zum Verstehen schreiben, das mach ich auch nicht, das meinte ich auch nicht.

Aber dass das Lesen und Schreiben eine Kommunikation (dazu noch eine für mich ziemlich angenehme) mit jemand anderem ist, die zwangsläufig das (Kommunikations-)verhalten beeinflusst, ist, naja, Tralala.

Außer man liest ausschließlich und exklusiv nur das eigene Geschreibe im stillen Kämmerlein.

Das wäre dann äh, nichts. Jedenfalls sozial, er merkt ja kein anderer.

Armin hat gesagt…

Tjaja – warum gebe ich meinen Senf in Form von Bildern ab?

Vielleicht:
Ich misstraue meinen geschriebenen Texten. Ähnlich wie in der Malerei knete ich ständig dran rum. Befangen halt.

So wie jetzt zum Beispiel.

Anders bei Zeichnungen: da kann ich auch mal was (ver)zweifelhaftes stehen lassen. Oder gleich wegschmeißen.

Aber auch ich habe diese Erfahrung gemacht: Veränderung der Wahrnehmung durch Wahrnehmung der Veränderung.

Der Prozess verselbstständigt sich.

Allerdings frage ich mich, ob das überhaupt etwas mit dem Bloggen hat (in meinen Fall) oder ganz allgemein Teil von vergleichbaren Prozessen ist.

Der Eindruck entsteht: Ich versteckte mich hinter meinen Bildern – könnten die wenigen „Leser“ meinen – ist allerdings natürlich ganz & gar nicht der Fall.

Im Gegenteil.

Aber vielleicht blogge ich ja überhaupt nicht.

Jedenfalls nicht richtig.

Anonym hat gesagt…

An dieser stelle kommt es doch viel mehr darauf an ob und wie sehr Mann eben genau darauf steht (Ja, der Autor ist gemeint!). Steht Mann drauf, warum klingen lassen, als wäre es ein Problem und nicht einfach den Ruhm weiter genießen? Steht Mann nicht drauf, warum fährt Mann weiter in diese Richtung? Des Deutschen liebstes Kind: Probleme hinstellen, wo keine sind, habe ich mir als Deutscher von einem Brasilianer sagen lassen. Manchmal verstehe ich, was jener meinte, obgleich der Autor hier eine sensationelle Beobachtung in Dingen Blog erfahren hat, die nicht jedem auffällt, aber die menschliche Wahrheit beinhaltet.

Wie bedrückend die eine oder andere Entscheidung wäre, möge er besser für sich regelmäßig überprüfen und das handeln im Falle einer Festellung nicht vergessen.

Wer die eigene Gemütsverfassung veröffentlicht wie im Paradies, der schreibt nicht unter dem Deckmantel ich gefalle heute einem anderen. Genau das macht es so positiv, man muss es selber nur erkennen. Ein Findungsprozess. Das Paradies gern als Erinnerung im Link.

gerdbrunzema hat gesagt…

@armin:Ich denke, du nutzt das System "Weblog" sehr geschickt. Wer zeichnet und malt, der muss doch nicht noch schreiben. Ich kann nur meine Schnauze nicht halten. Nicht immer ein Vorteil.

@rio: Das ist ja mal interessant. Hab ne Weile nachgedacht.
Also.
Ruhm ist ja denn doch mehrereRERERE Nummern zu groß. Und an dem unsystematischen (PR/Ruhm-technisch sehr dämlichen) herumgeposte kann man sicher sehen, dass das Weblog hier nicht unbedingt eine Richtung verfolgt. Und das mit dem Brasilianer ist ja eher ein Missverständnis auf Meta(s) Ebene. Wenn man eine Beobachtung beschreibt, und nicht auslässt, die Konsequenzen durchzuformulieren (naja, eher an der Oberfläche streicheln) ist das vielleicht sehr deutsch und nicht sehr brasilianisch. Ein Problem im Sinne von "dringend eine Lösung finden, sonst aua" ist das ja alles nicht. Werde ich dem nächsten Brasilianer, den ich treffe, sofort sagen. Der kann das ja dann weitersagen. Wo mit ich dann ja wohl noch deutscher wäre...
Und der Paradies Post ist ein gutes Beispiel, das ich nicht in der Lage scheine, ein Weblog strategisch anzulegen (nur scheinbar schlechtes Beispiel für ein strategisch gutes Weblog: Spreeblick).

Wenn ich hier regelmäßig meine Gemütsverfassung posten würde, wie es ja manche Weblogs "sehr erfolgreich" tun, das würde mir mein Gemüt sehr schnell ruinieren. Wenn ich das mache, finde ich das später oft peinlich. Aber das gehört auch zum Leben.
Das hier soll nicht meine Therapie sein, aber auch nicht meine PR-Abteilung.

Ach, ich weiß auch nicht! Tralala, dann.

Anonym hat gesagt…

Ich habe mir irgendwann mal gesagt: Wenn Du (ich) das nicht fotografieren kannst, schweig. Aber ich kann meinen Mund nicht halten, deshalb habe ich mittlerweile zwei Blogs, eine Projektseite und twitter. Eindeutigkeit ist mir unangenehm, eine Form von Stillstand.

gerdbrunzema hat gesagt…

Das hab ich auch schon überlegt. Verschiedene Weblogs für verschiedene Lebensaspekte. Aber das krieg ich nicht hin. Und ich freu mich auch irgendwie an der Inkonsequenz und dem Chaospotenzial.

Armin hat gesagt…

Inkonsequenz und dem Chaospotenzial – ich mag das.

Es gibt da trotz aller scheinbar disparaten Themen irgendwo einen roten Faden – Stringenz & Schlüssigkeit.

Klingt abgenudelt, aber ich meine: authentisch.

In Deinem speziellen Fall: So & nicht anders.

Schon gar nicht Tralala.

Anonym hat gesagt…

Also, mich würde in diesem Zusammenhang ja interessieren, woran das mit dem Sakko gescheitert ist. Oder versteckst Du das einfach nur sehr gut?

Anonym hat gesagt…

Nein, das Sakko ist im Dienst. Sieht Scheiße aus, und erfüllt mit großen Taschen tapfer seinen Zweck, nämlich mein Büro zu transportieren.