Ich glaube, es gibt solche Menschen. Leute, die einfach keine Monster unterm Bett haben.
Aber ich bin sicher, das sind sehr wenige. Sehr sehr wenige.
Fast alle anderen lernen als Kind, meist in den Jahren 3-11, die Monster zu zähmen, womit gemeint sein soll, das sie im Zaum gehalten sind. Also mit Vorsicht unter Kontrolle gehalten, nicht erledigt oder weg oder tot oder widerlegt. Die wichtigsten Waffen sind zunächst Mama, dann Papa, dann die Vernunft, die einem sagt, das es dies und das, dessen Wahrnehmung man nicht teilen kann, eben auch nicht gibt ("Da ist kein Geist/Dämon/böserMann/Holzohr, ich kann nix davon sehen. Nur was alle sehen/hören/riechen/etc. gibt es auch wirklich, leg dich wieder hin" Das große positivistische Glaubensbekenntnis halt). Und natürlich Freunde und die, die da immer so sind, die nicht verstehen. Da lernt man dann schnell das Schweigen.
Und das ist gut so. Meine Meinung über Leute, die verbissen ihre Monstren verneinen und anderen nicht gestatten, Monster zu sehen, die jede Spießigkeit als Rettungsring brauchen, jeden Konsum- und Mediendreck nutzen um nicht zu implodieren, meine Meinung über solche Menschen hat sich von tiefster Verachtung zu Respekt vor der Tapferkeit gewandelt, mit der sie versuchen, Schaden, großen Schaden, abzuwenden, große Angst und große Verzweiflung unter Kontrolle zu halten. Ich bin nicht der Meinung, dass das so dauerhaft funktioniert, gar Glück erzeugt, aber das tut nichts.
Mit verbissener Unreflektiertheit die Riten der Väter, den Schützenverein, ja, den Schützenverein, um Himmelswillen, die Feuerwehr, die freiwillige, den grottenschlechten lokalen Fussbalverein weiter zu tragen.
Ich bin mir immer sicherer, dass das die Maßnahmen sind, die das schlimmste vorläufig verhindern.
Aber nun sind nicht alle Menschen so. Da sind einerseits die, die ohne Monster auskommen. Neid oder Mitleid. Im Moment tendiere ich zu Neid.
Auf der anderen Seite sind die, denen die Zähmung schlechter, noch schlechter und gar nicht gelingt. Phasenweise gut. Dann Ausfälle, Löcher. Die wohnen in Heilanstalten und Künstlervierteln.
Ich denke, Menschen, die Musik machen, Zeichnungen verfertigen, Malereien vollführen, tanzen oder schreiben oder sonstwie künden, also kommunizieren mit den Schwerpunkt auf Sendung; dieses nur dann interessant und wichtig für den Empfänger machen, wenn er den Empfänger an seine Monster erinnert.
Um das zu tun muss man seine eigenen schon recht gut kennen. Deshalb werden Künstler verrückt, oder für verrückt gehalten, Freaks halt. Und keine coolen. Da übernehmen Einzelne eine Aufgabe, die man recht gut mit emotionaler Müllabfuhr beschreiben kann. Deshalb benimmt sich Klaus Kinski wie Klaus Kinski.
Und man wird gerne an seine Monster erinnert, wenn man sicher sein kann, dass sie in dem Buch, in dem Bild, in der Musik, im Film bleiben. Das ist was sehr tröstliches. Auch für den, der die Musik macht, nebenbei bemerkt...
Und es muss ja, meine Güte nicht immer tief, schwer und existentiell sein, das hält ja keiner aus. Eben.
Daher gibt es etwas sehr wichtiges, nämlich optimistisches, gut gelauntes, romantisches und lustiges Entertainment. Und das meine ich nicht eine Spur ironisch. Das ist extrem wichtig auch in seinen niveaulosesten Varianten (wenigstens als Smalltalkaufhänger...)
Entertainment wird mit Kunst gerne in einen Topf geschmissen zum verharmlosen, auch so eine Maßnahme, die Monster zu zähmen. Die ganze Für-Übers-Rote-Sofa-Malerei, die ganze Easy-Listening-Volksmusik, wenn sie nur (ausschließlich) den Alltag dekorieren soll, ist Entertainment. Und hoffentlich gutes.
Wertere Internetbenutzerin, werter Internetbenutzer.
Das folgende Video zeigt einen Mann, der anhand eines Klaviers sichtbar macht, wie dessen Ordnung zerfallen ist, sich mühsam etabliert, brüchig durchgehalten wird und endlich wieder zu zerbröseln droht. Ich habe so was noch nicht gesehen. Ich halte das für große Kunst.
Die Hemdsärmel. Das Gesicht am Anfang.
via
2009-04-02
Das Monster von Eric Lewis.
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2 Kommentare:
Vielen Dank für den schönen Text (& den super Musik-Tipp!
Du solltest mehr schreiben.
Dann darf ich in aller Bescheidenheit Eric Dolphy weiterempfehlen, der die Dinge auf andere Art kippen lässt, oder Cecil Taylor, Aki Takase, den frühen David Murray, Sun Ra Arkestra, sogar das Konzert von Bremen (oder Lausanne) von Keith Jarrett, John Coltrane, ach ja...
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